Karin Nohr, Schriftstellerin

Kieloben

Rezension von link Michael Kreisel

Karin Nohr entfaltet in „Mona Lisa auf der Couch“ das feinsinnige Psychogramm einer modernen Beziehungskonstellation, die als Ménage à trois, als Suche nach individuellem Glück und Sinnstiftung daherkommt, jedoch stets in Gefahr schwebt, sich als Trugbild zu entlarven. Die Kommunikation zwischen Pierre und Colette hat sich längst zu einem wortreichen Schweigen verflüchtigt, einem beredten Zeugnis einer erstarrten Beziehung. Folgerichtig ist auch die Interaktion mit der rätselhaften Patientin eine rein imaginäre, eine Projektionsfläche für Pierres Wünsche nach widerspruchsloser Harmonie.

Mit bestechender Präzision seziert die Autorin die Psyche ihrer Figuren: Pierre, der in seiner Ehe mit Colette allzu oft zur Nachgiebigkeit neigt und Konfrontationen scheut; Colette, die ihre fragile Persönlichkeit hinter einer Maske der Dominanz verbirgt und in Madeleine die Verheißung einer Zukunft zu finden glaubt; und schließlich Madeleine, die mit ihrer eigenen Agenda sowohl Pierre als auch Colette letztlich auf sich selbst zurückwirft. Erst die Geburt der Tochter Mariette vermag es, Pierre aus seiner emotionalen Indifferenz zu reißen und ihn zur Übernahme von Verantwortung zu bewegen, die ihm jedoch bald verweigert wird.

Karin Nohrs Roman ist weit mehr als eine bloße Beziehungsstudie. Er ist eine scharfsinnige Analyse moderner Lebensentwürfe und der komplexen Dynamiken von Sehnsucht, Selbsttäuschung und der Suche nach authentischen Verbindungen in einer zunehmend fragmentierten Welt. Mit einer Sprache von unaufdringlicher Eleganz und psychologischem Tiefgang gelingt es der Autorin, ein fesselndes Kammerspiel zu inszenieren, das die Leserinnen und Leser bis zur letzten Seite in seinen Bann zieht. „Mona Lisa auf der Couch“ ist ein literarisches Glanzstück, das die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche meisterhaft ausleuchtet und lange nachwirkt.

 

Karin Nohr, Mona Lisa auf der Couch,
Roman,
Leipzig 2025,
ISBN: 978-3-949234-62-0 - 15,40 €

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